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Chinesische Medizin für die Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen – Eine Einführung für Patienten

Dr. Andrea Hellwig-Lenzen, Berlin

Magen- und Darmprobleme gehören zu den häufigsten Anlässen, um einen Arzt oder Heilpraktiker aufzusuchen. Die Beschwerden können von einem akuten Infekt oder einer organischen Krankheit ausgelöst werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass der Patient unter einer funktionellen Magen-Darm-Erkrankung leidet – insbesondere, wenn die Beschwerden regelmäßig über einen längeren Zeitraum auftreten.

Neben der westlichen Schulmedizin steht uns auch die Chinesische Medizin zur Behandlung von Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts zur Verfügung. Die Chinesische Medizin als eines der weltweit großen traditionellen Medizinsysteme bietet die Möglichkeit, Beschwerden und Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt auf natürliche Weise zu behandeln. Die wichtigsten Therapieansätze liegen im Einsatz der chinesischen Arzneimitteltherapie und Akupunktur. Ergänzend ist je nach Bedarf aber auch die chinesische Ernährungstherapie sinnvoll, Tuina und Qi Gong können zudem hilfreich sein. Bei wiederkehrenden Beschwerden werden in der Akut-Phase die konkreten Symptome, in der symptomfreien Zeit die Ursachen der spezifischen Beschwerden behandelt. Diese Differenzierung ist in der Chinesischen Medizin sehr wichtig, da jeweils sehr unterschiedliche Therapiestrategien verfolgt werden müssen.

Neben einer Behandlung durch einen ausgebildeten Therapeuten der Chinesischen Medizin gibt es viele Mittel und Wege, um selbst etwas gegen die akuten Beschwerden, aber auch gegen die Ursachen für immer wiederkehrende oder chronische Beschwerden zu tun. Sowohl in der akuten Phase als auch in den Zeiten ohne akute Beschwerden bietet die Chinesische Medizin eine Vielzahl an Möglichkeiten.

Die Sicht der Chinesischen Medizin auf Magen-Darm-Erkrankungen

In der Chinesischen Medizin werden für die Erklärung von gesundheitlichen Störungen neben ihren verschiedenen theoretischen Modellen unter anderem sogenannte pathogene (krankmachenden) Faktoren unterschieden. Neben den äußeren (klimatischen) Faktoren[1] , werden die inneren Faktoren als Ursache für ein Krankheitsgeschehen herausgestellt. Akute Magen-Darm-Infektionen werden meist durch das Eindringen äußerer pathogener Faktoren in den Körper verursacht, bei chronischen organischen oder funktionellen Beschwerden lässt sich das Krankheitsgeschehen auf innere Faktoren zurückführen. Für das Entstehen von Magen-Darm-Beschwerden oder -Erkrankungen können verschiedene innere Faktoren oder auch deren Kombination bzw. das Zusammenspiel von äußeren und inneren Faktoren verantwortlich sein.

Exemplarisch soll hier die sogenannte Milz-Qi-Schwäche[2] vorgestellt werden. Die Milz-Qi-Schwäche selbst verursacht ein eigenes Syndrom-Bild und ist zudem an weiteren Magen-Darm-Störungen bzw. -Erkrankungsbildern beteiligt.

Milz-Qi-Schwäche

In der Chinesischen Medizin bildet die Milz gemeinsam mit dem Magen den „Verdauungsapparat“ des Menschen und ist für das Nähren des Menschen auf allen Ebenen verantwortlich. Sie transformiert die notwendigen Nährstoffe aus der Nahrung und den Getränken und verteilt sie im Körper. Sie gewährleistet damit die Versorgung des gesamten Körpers mit Qi, Blut und lebensnotwendigen Nährstoffen. Sie sichert die tägliche Grundenergie. Im Fall einer Milz-Qi-Schwäche kann die tägliche Versorgung mit lebensnotwendiger Energie nicht mehr optimal gewährleistet werden.

Die Leitsymptome einer Milz-Qi-Schwäche zeigen sich in Verdauungsbeschwerden in Form von Durchfällen oder breiigen Stühlen, Völle- und Spannungsgefühl, Bauchschmerzen (mit Besserung durch Druck) und/oder Blähungen. Zudem können Abgeschlagenheit, Schwäche, Müdigkeit, Muskelschwäche, eine Neigung zu Wasseransammlungen (Ödemen) und/oder Infektanfälligkeit bestehen. Weiterhin kann Blässe von Gesicht, Lippen und Zunge beobachtet werden.

Da wir bei mentaler Belastung und körperlicher Anstrengung Qi verbrauchen, kommt es bei einer Milz-Qi-Schwäche zu einer Verstärkung sämtlicher Symptome durch Anstrengung. Regelmäßige Müdigkeit nach dem Essen ist ebenfalls ein Indikator für eine Milz-Qi-Schwäche.

In der Chinesischen Medizin ist die Milz neben der Verdauung auch für einen großen Teil unseres Immunsystems verantwortlich. Folglich geht eine Milz-Qi-Schwäche auch häufig mit einer erhöhten Infektanfälligkeit einher. Bei Frauen kann sich ein Milz-Qi-Mangel auch in einer schwachen oder ausbleibenden Regelblutung zeigen.

Eine Milz-Qi-Schwäche kann verschiedene Ursachen haben. Neben einer konstitutionellen Schwäche kommen auch akute Erkrankungen wie ein Magen-Darm-Infekt oder eine Lebensmittelvergiftung als Ursachen in Betracht. Länger anhaltende körperliche Überarbeitung schwächt die Milz ebenso wie fehlende regelmäßige Bewegung. Eine weitverbreitete Ursache für eine Milz-Qi-Schwäche liegt in langfristigen ungünstigen Ernährungsgewohnheiten oder ignorierten Lebensmittelunverträglichkeiten. Zudem kann lang anhaltender emotionaler oder mentaler Stress die Milz schwächen.

Qi-Produktion im Organismus und die Rolle des Milz-Qi

Bei Magen-Darm-Störungen ist es also wichtig, dass wir unser Qi pflegen und regelmäßig aufbauen. In der Chinesischen Medizin wird Qi mit Hilfe verschiedener innerer Organe produziert: der Milz, der Lunge und den Nieren. Dementsprechend werden das Milz-Qi, das Lungen-Qi und das Nieren-Qi mit Vitalität und Lebenskraft in Verbindung gebracht. Wichtig hierbei ist, dass es sich um die chinesische Vorstellung dieser Organe handelt. Die inneren Organe umfassen jeweils eigene Funktionskreise und decken sich nur zum Teil mit den Vorstellungen der westlichen Medizin.

  • Die Milz gewinnt über die Verdauung Qi aus der Nahrung (Nahrungsenergie, Milz-Qi).
  • Die Lunge versorgt uns über die Atmung mit Sauerstoff und Qi (Atmungsenergie, Lungen-Qi).
  • Die Nieren sind Energiespeicher. Das Nieren-Qi ist vererbt und nimmt im Lauf des Lebens ab.

Die Aufgabenverteilung bei der Qi-Produktion lässt sich gut mit dem Bild eines Kochtopfs vergleichen. Der Magen nimmt die Nahrung auf und leitet die Verdauung ein, die Milz wandelt dann alles vom Magen Aufgenommene in Qi(Lebensenergie) um und verteilt es im Körper. Die Qi-Produktion von Lunge und Milz ist auf eine kontinuierliche Versorgung mit Luft (Sauerstoff) und Nahrung angewiesen. Die Nieren als Energiespeicher sorgen für das nötige „Brennholz“ (Nieren-Yin) und das Feuer (Nieren-Yang) unter dem Kochtopf.

©️Verlag Systemische Medizin

Qi-Produktion durch Milz (und Magen), Lunge und Niere

In der Chinesischen Medizin wird daher ein ausgesprochenes Gewicht auf die Pflege der Milz gelegt. Die Milz pflegen wir mithilfe hochwertiger gedünsteter oder gekochter Nahrung, die zu einem Großteil aus Gemüse besteht. Zwei Mal am Tag warm essen, ist eine der Grundregeln der chinesischen Ernährungslehre. Zudem wenig Rohkost, besonders im Winter, und Fleisch in Maßen.

Für die Kraft und Funktionsfähigkeit unseres körpereigenen Qi sind wir zu einem großen Teil selbst verantwortlich. Neben einer professionellen Therapie können Sie auch selbst etwas tun, um Ihr Qi zu pflegen und zu stärken und somit Ihre Abwehrkräfte zu stärken:

  • Sie können Ihre Milz durch angemessene und hochwertige Nahrung unterstützen und damit Ihr tägliches Qi aufbauen.
  • Sie können Ihre Lunge durch regelmäßige Bewegung und Atemübungen aus dem Qigong unterstützen.

Ihre Nierenenergie stabilisieren Sie u. a. durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ruhe und Aktivität. Durch ausreichend Schlaf und Ruhephasen am Tag können Sie sich regenerieren und neue Kräfte aufbauen.

Was können Sie tun, um Ihr Milz-Qi zu stärken?

Haben Sie schon einmal ein warmes Frühstück ausprobiert? Dies ist eine sehr gute Maßnahme, besonders in Herbst und Winter, um die Funktionsfähigkeit der Milz zu erhalten oder zu stärken. Probieren Sie doch einmal ein warmes Hirse-Frühstück mit Nüssen und Pflaumenkompott:

Hirse mit Nüssen und Pflaumenkompott

  • 1 Tasse Hirse
  • 3 Tassen Wasser
  • 4 EL Walnüsse
  • 300 g Pflaumen
  • 1/2 TL Zimtpulver
  • Saft einer halben Zitrone
  • 1/2 TL Kakaopulver
  • Agavendicksaft nach Bedarf

Hirse mit heißem Wasser in einem Sieb gründlich waschen. Dann 2 Tassen Wasser zugeben (Hirse-Wasser-Verhältnis: 1:2) und zum Kochen bringen. Walnüsse grob hacken, mit dem geriebenen Ingwer zur Hirse geben und 10 bis 15 Minuten auf kleiner Flamme weichkochen. Inzwischen das Kompott zubereiten: Pflaumen waschen, halbieren, entkernen und mit Wasser und Zimtpulver in einen Topf geben. Etwa 10 Minuten zu einem Kompott einkochen. Hirse mit Zitronensaft und Kakaopulver vermischen und in einem Schälchen anrichten. Dazu Kompott servieren. Bei Bedarf mit etwas Agavendicksaft süßen.

Es gibt einige Lebensmittel, die gezielt die Milz stärken. Versuchen Sie doch einmal, diese regelmäßig in Ihren Speiseplan aufzunehmen. Diese sind: Reis, Hafer, Amaranth, Hirse, Kürbis, Möhren, Fenchel, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Äpfel (süß, gedünstet, ideal als Kompott), Huhn (Hühnerbrühe), Rindfleisch (Rinderbrühe), Sesam, Nüsse (in Maßen!).

Quellen:
[1] Im alten China wurde die starke Ähnlichkeit zwischen Veränderungen des Gesundheitszustands und klimatischen Änderungen bereits sehr früh betont. Diese äußeren (klimatischen) Faktoren sind Wind, Kälte, Hitze und Feuer, Feuchtigkeit und Trockenheit.

[2] In der Chinesischen Medizin werden verschiedene Substanzen als wesentlich für die Funktionsfähigkeit und Lebenskraft von Körper, Seele und Geist herausgestellt. Eine zentrale Rolle spielt dabei unter anderem das sog. Qi. Qikann vereinfacht als „Energie“ oder „Lebensenergie“ übersetzt werden. Der Zustand des Qi ist wesentlich für die Funktionsfähigkeit von Körper, Geist und Seele. Ist ausreichend Qi vorhanden und kann es ungehindert durch den gesamten Körper fließen, sind wir gesund. Ist das Qi schwach und/oder ist der Fluss des Qi gestört, kommt es zu gesundheitlichen Störungen.

Bildnachweise:
Frau im Blumenfeld - Depositphotos/AGTCM
Chinesische Kräuter - Depositphotos/AGTCM
Grafik - ©️Verlag Systemische Medizin

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