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Migräneprophylaxe: Akupunktur ist wirkungsvoll und risikoarm

Studien zu Akupunktur bei Migräne: Das Blatt wendet sich

Dr. Anne Hardy, Frankfurt

Akupunktur ist eine wirkungsvolle Prophylaxe bei Migräne. Von den Krankenkassen wird sie dennoch nicht bezahlt, weil die GERAC-Studie von 2006 ergab, dass Schein-Akupunktur genauso gut hilft. Dabei werden Nadeln in Nicht-Akupunkturpunkte gestochen. Inzwischen zeigen jedoch immer mehr Studien und Meta-Analysen einen signifikanten Unterschied zwischen Verum- und Schein- oder Sham-Akupunktur. Im Vergleich zu pharmakologischer Standardtherapie erweist sich Akupunktur oft als gleichwertig oder besser – und risikoärmer.

Im Folgenden einige Highlights aus einer aktuellen amerikanische Meta-Analyse vom Dezember 2020, die den aktuellen Stand zusammenfasst. Der Erstautor ist Ivan Urits, Schmerzforscher an der renommierten Harvard Medical School in Boston.[1] 

Weniger Migräne-Anfälle

2016 erschien eine deutsche Meta-Analyse zu Akupunktur zur Prophylaxe von Migräne.[2]  Sie fasst 22 Studien mit insgesamt 4985 Patient:innen zusammen, die Akupunktur im Vergleich zu keiner Behandlung, Sham-Akupunktur oder medikamentöser Standardtherapie erhielten. Endpunkt war die Häufigkeit der Migräne-Tage.

Bei 41 Prozent der Patient:innen, die Akupunktur erhalten hatten, reduzierte sich die Zahl der Migräne-Tage auf mindestens die Hälfte. In der Kontrollgruppe, die keine Akupunktur erhielt, aber bei Schmerzanfällen Medikamente nehmen durfte, war dies bei 17 Prozent der Proband:innen der Fall.

Beim Vergleich zwischen Verum- und Sham-Akupunktur zeigte sich, dass auch Sham-Akupunktur die Häufigkeit der Migräne-Anfälle reduziert. Allerdings gab es in der Verum-Gruppe mehr Responder (50 Prozent). Das sind Patient:innen, bei denen die Zahl der Migräne-Tage mindestens um die Hälfte reduziert wird. In der Sham-Akupunktur-Gruppe gab es 41 Prozent Responder.

Bei den Studien, die Verum-Akupunktur mit medikamentöser Therapie verglichen, gab es in der Akupunktur-Gruppe 57 Prozent Responder gegenüber 46 Prozent in der Medikamentengruppe.

Die Autoren folgern, dass Akupunktur als adjuvante Therapie zu anderen Verfahren genutzt werden sollte, um die Häufigkeit von Migräne-Anfällen zu reduzieren.

Wie häufig sollte man zur Prophylaxe von Migräne akupunktieren?

Die Wirkung von Akupunktur zeigt sich erst nach einem Minimum von sechs bis acht Behandlungen. Zur effektivsten Frequenz und Häufigkeit der Akupunktur-Behandlungen gibt es bisher keine belastbaren Daten.[3]  Wichtig ist auch zu wissen, dass nicht alle Patient:innen auf Akupunktur ansprechen. Gehören sie zu den Respondern, reduziert sich die Zahl ihrer Schmerztage um mindestens 50 Prozent.

2018 verglich eine tschechische Studie die Wirkung von Akupunktur im Vergleich zur Standard-pharmakologischen Behandlung.[4] Endpunkt der Studie war der Unterschied in den Migräne-Tagen zu Anfang und Ende der Studie. Nach 12 Wochen hatten Patient:innen in der Akupunktur-Gruppe durchschnittlich 5,5 Migräne-Tage weniger, während bei Patient:innen der Medikamenten-Gruppe durchschnittlich 2,2 Migräne-Tage weniger beobachtet wurden. Zusätzlich gab es in diesem Zeitraum mehr Responder in der Akupunktur-Gruppe als in der Kontrollgruppe, die mit Medikamenten behandelt wurde. Auch bei einem Follow-Up sechs Monate nach Ende der Behandlung hatten die Patient:innen in der Akupunktur-Gruppe weniger Migräne-Tage.

Eine australische Studie aus dem Jahr 2015 verglich die Wirkung von Verum- und Sham-Akupunktur.[5] Sie konnte zeigen, dass die Patient:innen in der Verum-Gruppe weniger Migräne Tage hatten als in der Sham-Gruppe. Allerdings hatte auch die Sham-Akupunktur eine Wirkung. In Zahlen: Mittelwert ± Standardabweichung: 5.2 ± 5.0 Migränetage in der Verum-Gruppe vs. 10.1 ± 7.1 Migränetage in der Sham-Gruppe; p = 0.008. Die Schmerzintensität war in der Verum-Gruppe ebenfalls geringer. Außerdem gab es nach einer Behandlung über 20 Wochen in der Verum-Gruppe mehr Responder. Die signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen waren nach drei Monaten noch erhalten; nach einem Jahr jedoch nicht mehr nachweisbar.

Schmerzintensität lässt nach

Eine dreiarmige randomisierte kontrollierte Studie (RCT) zur Schmerzintensität bei chronischer Migräne verglich 2017 Akupunktur mit Botulinum Toxin A, das auch als Migräne-Medikament eingesetzt wird. Die Kontrollgruppe erhielt Valproinsäure, ein Anti-Epileptikum und Anti-Depressivum, dass off-label zur Migräne-Prophylaxe angewendet wird. Die Patient:innen bewerteten ihre Schmerzintensität auf einer visuellen Analogskala (VAS) nach drei Monaten Behandlung in allen drei Gruppen als signifikant niedriger. In der Akupunktur-Gruppe war die Reduktion der Schmerzintensität am ausgeprägtesten (p = 0.0001).

Zusätzlich hatten die Patient:innen in allen drei Gruppen weniger Migräne-Tage pro Monat, weniger Fehltage bei der Arbeit und benötigten weniger Schmerzmittel (p = 0.0001). Die Akupunktur-Gruppe zeichnete sich dadurch aus, dass in ihr Nebenwirkungen am seltensten auftraten.[6]

Eine Erklärung für das Nachlassen der Schmerzen könnte eine Änderung des Gehirnstoffwechsels sein, die eine chinesische Studie mithilfe von Kern-Resonanz-Spektroskopie (NMR) 2018 nachwies.[7] Während eines Migräne-Anfalls sinkt der N-acetylaspartat (NAA)-Spiegel, ein Produkt des Gehirnstoffwechsels, stark ab. Nach der Akupunktur steigt der Wert in beiden Hälften des Thalamus an, was mit einer Abnahme der Schmerzintensität einhergeht.

Höhere Lebensqualität durch Akupunktur

Eine retrospektive Studie untersuchte 21.209 Patienten, bei denen zwischen 2000 und 2012 eine Migräne erstmals diagnostiziert wurde. Davon erhielten 1948 eine Akupunktur-Behandlung. Die Patienten in der Akupunktur-Gruppe verursachten während des folgenden Jahres weniger Kosten für das Gesundheitssystem und hatten ein niedrigeres Risiko für Depressionen und Ängste. Beides sind übliche Begleiterscheinungen von Migräne. Auch in einer Follow-Up-Analyse 13 Jahre später zeigte sich, dass Depression und Ängste in der Akupunktur-Gruppe seltener auftraten.[8]

Die Lebensqualität von Patient:innen mit Migräne untersuchte auch eine chinesische Meta-Analyse von 62 Studien mit insgesamt 4947 Teilnehmern.[9] Sie verglich Akupunktur-Behandlung mit der pharmakologischen Standardbehandlung. Einen Monat nach der Behandlung schätzten die Patient:innen ihre Beschwerden auf einer visuellen Analogskala (VAS) ein. In der Akupunktur-Gruppe war die Schmerzintensität geringer. Ähnliches galt für den Zeitraum ein bis drei Monate nach der Behandlung. Auch im Vergleich zu Sham-Akupunktur schnitt die Akupunktur-Gruppe einen Monat nach Behandlung besser auf der VAS ab.

Die Lebensqualität beurteilten die Patient:innen mithilfe eines standardisierten Fragebogens (Migraine-Specific Quality of Life Questionnaire, MSQ). In der Akupunktur-Gruppe war sie nach einem bzw. ein bis drei Monaten höher als in der Sham-Akupunktur-Gruppe. Zusätzlich traten in der Akupunktur-Behandlung weniger Nebenwirkungen auf als bei der medikamentösen Behandlung.

Die Autoren der Meta-Analyse folgern, dass Akupunktur zur Behandlung und Prophylaxe von Migräne wirksamer ist als keine Behandlung, Sham-Behandlung oder die pharmakologische Standardtherapie. Zusätzlich verbessert sich die Lebensqualität durch Akupunktur-Behandlung stärker als durch die Einnahme von Medikamenten.

Schlussfolgerung

Viele Studien legen nahe, dass Akupunktur eine sichere, hilfreiche und verfügbare Alternative darstellt, auf die bestimmte Migräne-Patient:innen ansprechen. Dennoch empfehlen die Autoren weitere klinische Studien, um die Ergebnisse zu erhärten. Um die Vergleichbarkeit verschiedener Studien zu verbessern, könnte ein neu entwickelter Fragebogen, der „Acupuncture Expectancy Scale“[10] nützlich sein.

 

Referenzen:
[1] Urits I, Patel M, Putz ME, Monteferrante NR, Nguyen D, An D, Cornett EM, Hasoon J, Kaye AD, Viswanath O. Acupuncture and Its Role in the Treatment of Migraine Headaches. Neurol Ther. 2020 Dec;9(2):375-394. doi: 10.1007/s40120-020-00216-1. Epub 2020 Oct 1. PMID: 33001385; PMCID: PMC7606388.

[2] Linde K, Allais G, Brinkhaus B, Fei Y, Mehring M, Vertosick EA, Vickers A, White AR. Acupuncture for the prevention of episodic migraine. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Jun 28;2016(6):CD001218. doi: 10.1002/14651858.CD001218.pub3. PMID: 27351677; PMCID: PMC4977344.

[3] Patel PS, Minen MT. Complementary and Integrative Health Treatments for Migraine. J Neuroophthalmol. 2019 Sep;39(3):360-369. doi: 10.1097/WNO.0000000000000841. PMID: 31403967; PMCID: PMC7769000.

[4] Musil F, Pokladnikova J, Pavelek Z, Wang B, Guan X, Valis M. Acupuncture in migraine prophylaxis in Czech patients: an open-label randomized controlled trial. Neuropsychiatr Dis Treat. 2018 May 10;14:1221-1228. doi: 10.2147/NDT.S155119. PMID: 29785113; PMCID: PMC5955045.

[5] Wang Y, Xue CC, Helme R, Da Costa C, Zheng Z. Acupuncture for Frequent Migraine: A Randomized, Patient/Assessor Blinded, Controlled Trial with One-Year Follow-Up. Evid Based Complement Alternat Med. 2015;2015:920353. doi: 10.1155/2015/920353. Epub 2015 Apr 28. PMID: 26060503; PMCID: PMC4427801.

[6] Naderinabi B, Saberi A, Hashemi M, Haghighi M, Biazar G, Abolhasan Gharehdaghi F, Sedighinejad A, Chavoshi T. Acupuncture and botulinum toxin A injection in the treatment of chronic migraine: A randomized controlled study. Caspian J Intern Med. 2017 Summer;8(3):196-204. doi: 10.22088/cjim.8.3.196. PMID: 28932372; PMCID: PMC5596191.

[7] Gu T, Lin L, Jiang Y, Chen J, D'Arcy RC, Chen M, Song X. Acupuncture therapy in treating migraine: results of a magnetic resonance spectroscopy imaging study. J Pain Res. 2018 Apr 27;11:889-900. doi: 10.2147/JPR.S162696. PMID: 29740217; PMCID: PMC5931197.

[8] Liao CC, Liao KR, Lin CL, Li JM. Long-Term Effect of Acupuncture on the Medical Expenditure and Risk of Depression and Anxiety in Migraine Patients: A Retrospective Cohort Study. Front Neurol. 2020 Apr 24;11:321. doi: 10.3389/fneur.2020.00321. PMID: 32390934; PMCID: PMC7193015.

[9] Jiang Y, Bai P, Chen H, Zhang XY, Tang XY, Chen HQ, Hu YY, Wang XL, Li XY, Li YP, Tian GH. The Effect of Acupuncture on the Quality of Life in Patients With Migraine: A Systematic Review and Meta-Analysis. Front Pharmacol. 2018 Oct 26;9:1190. doi: 10.3389/fphar.2018.01190. PMID: 30416444; PMCID: PMC6212461.

[10] Mao JJ, Armstrong K, Farrar JT, Bowman MA. Acupuncture expectancy scale: development and preliminary validation in China. Explore (NY). 2007 Jul-Aug;3(4):372-7. doi: 10.1016/j.explore.2006.12.003. PMID: 17681257; PMCID: PMC2696198.

Bildnachweise:
Depositphotos/AGTCM

Dr. Anne Hardy

Dr. Anne Hardy

Heilpraktikerin
Erweiterter Vorstand Medizinische Wissenschaft
Schifferstr. 59
60594 Frankfurt
hardy(at)agtcm.de
https://www.akupunktur-hardy.de

Dr. phil. Anne Hardy betreut im erweiterten Vorstand der AGTCM den Bereich „Medizinische Wissenschaft“. Die studierte Physikerin und promovierte Medizinhistorikerin arbeitete als freie Journalistin, bevor sie zur Chinesischen Medizin fand. In ihrer Praxis in Frankfurt am Main behandelt sie vor allem gynäkologische Beschwerden und Paare mit unerfülltem Kinderwunsch.

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