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Hilft Akupunktur beim Nikotinentzug?

Dr. Anne Hardy, Frankfurt

China spielt in Sachen Nikotin-Entzug mit Akupunktur eine Pionierrolle. Zwei multizentrische Studien belegen eine Milderung der Entzugserscheinungen. In einer Studie ist die Wirkung der Akupunktur einer medikamentösen Nikotinersatztherapie ebenbürtig. Allerdings gab es in beiden Studien eine vergleichsweise hohe Abbrecherquote.

Weltweit gehen 7,69 Millionen Todesfälle/p.a. auf das Rauchen zurück.[1] Insbesondere in China, mit einem Anteil von 44 Prozent des weltweiten Zigarettenkonsums, gibt es deshalb seit Jahren Bestrebungen, dieses Gesundheitsrisiko zu reduzieren. In Hongkong wurden schon in den frühen 1970er Jahren Maßnahmen ergriffen, um dem Tabakkonsum einzuschränken, etwa durch die Zigarettensteuer und Aufklärungskampagnen. 2004 wurde die erste Klinik zum Nikotin-Entzug eingerichtet. Heute gibt es Hotlines und interaktive Online-Angebote, die Informationen zum Entzug und psychologische Hilfe anbieten sowie medizinische Behandlung vermitteln.

Akupunktur ist in China ein weit verbreitetes Angebot zur Linderung der Entzugserscheinungen und wird in Hongkong seit 1974 eingesetzt. Seitdem wurde die Effektivität von Akupunktur zur Raucherentwöhnung in zahlreichen Studien und Metaanalysen evaluiert, jedoch waren die Ergebnisse widersprüchlich. Deshalb wurde zwischen 2010 und 2015 erstmals eine groß angelegte prospektive multizentrische Studie mit fünf Kliniken durchgeführt. Insgesamt rekrutierte das Team um Jin-sheng Yang von der China Academy of Chinese Medical Sciences, Beijing, 5202 Raucher:innen, die über acht Wochen mit Akupunktur behandelt wurden.[2] 

Die Proband:innen erhielten zweimal wöchentlich Akupunktur an den Punkten Baihui (Du 20), Lieque (Lu 7), Hegu (Di 4), Zusanli (Ma 36), Sanyinjiao (Mi 6) und Taichong (Le 3). Yintang (EX-HN3) wurde hinzugefügt bei Husten, laufender Nase, trockenen Augen und anderen Schleimhautreaktionen, während Neiguan (Pc 6) zusätzlich bei emotionalen Entzugserscheinungen und Schlafstörungen hinzugefügt wurde. Die Nadeln blieben über 30 Minuten liegen, wobei Lu 7 und Ma 36 über Elektroakupunktur mit einer Frequenz von 15 Hertz stimuliert wurden.

Zusätzlich wurden Pflaster mit Vaccaria-Samen mit einem Durchmesser von zwei Millimetern auf verschiedene Ohrakupunkturpunkte geklebt: Shenmen (TF4), Neifenmi (CO18), Pizhixia (AT4), Jiaogan (AH6), Fei (CO14) und Wei (CO4). Bei Übelkeit wurde Kou (CO1) hinzugefügt und bei Schleim und Husten Zhiqiguan (CO16).[3]  Jeder Punkt wurde für eine Minute gedrückt. Die Proband:innen sollten die Ohrpunkte selbst alle ein bis zwei Stunden drücken oder immer dann, wenn sie das Verlangen zu rauchen verspürten. 18 und 44 Wochen nach der Behandlung gab es ein Follow up.

2940 Probanden hielten die Abstinenz bis zum Ende der Studie nach 52 Wochen durch. Es gab somit eine Abbruchquote von 43,48 Prozent. Die 7-Tage-Abstinenzrate betrug nach eigenen Angaben der Probanden 34 Prozent in Woche 8 und 18,4 Prozent in Woche 52. Die Zeit bis zum Rückfall lag bei durchschnittlich 38,71 Tagen. Bei denjenigen, die rückfällig geworden waren, stellte sich dennoch ein positiver Effekt ein: Das ausgeatmete Kohlenmonoxid und die Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten waren deutlich reduziert.

Als wesentliche Faktoren für den Abstinenzerfolg identifizierten die Autor:innen die Anzahl der zuvor gerauchten Zigaretten pro Tag und das Ergebnis des Fagerstrom-Tests für Nikotinabhängigkeit. Einen Einfluss hatte auch die Gesamtzahl der Akupunktursitzungen und insbesondere, ob die acht Akupunkturbehandlungen im ersten Monat abgeschlossen wurden.

Kein Unterschied zwischen Akupunktur und Medikamenten

Zwei Jahre später legten Jin-sheng Yang und sein Team eine weitere Studie vor, in der sich die Wirksamkeit von Akupunktur und Nikotinersatztherapie bei der Raucherentwöhnung verglichen.[4]  An dieser Studie, die zwischen 2013 und 2016 stattfand, beteiligten sich sieben Krankenhäuser. Die insgesamt 300 Proband:innen wurden nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen aufgeteilt, die entweder Körper-Akupunktur, Ohr-Akupunktur oder Nikotinersatztherapie erhielten. Alle Behandlungen liefen über acht Wochen. Nach 16 Wochen gab es ein Follow up. Der primäre Endpunkt der Studie war die 24-Stunden-Abstinenzrate, die 24 Wochen nach Studienbeginn mithilfe einer Kohlenmonoxid-Messung in der Atemluft bestätigt wurde (CO <10 ppm).

Bei dieser Studie lag die Abbrecherquote etwas niedriger, nämlich bei 35 Prozent. In der Akupunkturgruppe lag die CO-bestätigte 24-Stunden-Abstinenzrate nach 24 Wochen bei 43 Prozent, ähnlich wie in der Nikotinersatztherapie-Gruppe (44 Prozent; P > 0.05). Die Abstinenzrate war damit signifikant höher als in der Ohr-Akupunkturgruppe (30 Prozent; P < 0.05). Ein weiterer Vorteil der Körperakupunktur war, dass in dieser Gruppe die Ergebnisse des Fagerstrom-Nikotinabhängigkeitstests und der Minnesota-Nikotinentzugsskala nach 24 Wochen signifikant niedriger waren als in der Ohr-Akupunktur-Gruppe und in der Nikotinersatztherapie-Gruppe (P < 0.05). Die Zeit bis zum Rückfall war in der Akupunktur-Gruppe mit 44,12 Tagen nur unwesentlich länger als in der Nikotinersatztherapie-Gruppe (41,18 Tage), aber deutlich länger als in der Ohr-Akupunktur-Gruppe (29,53 Tage).

Die Autor:innen folgern aus beiden Studien, dass Akupunktur eine sichere und wirksame Methode zur Raucherentwöhnung ist. Ihre Analyse der Faktoren, die einen Rückfall begünstigen, zeigt aber auch, dass der dauerhafte Nikotinentzug komplex ist und es mehr braucht, als die Entzugserscheinungen zu mildern.

Referenzen:
[1] Siehe etwa: Anzahl Todesfälle weltweit in Folge ausgewählter Risikofaktoren im Jahr 2019:
​​​​​​​https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1172006/umfrage/todesfaelle-weltweit-aufgrund-ausgewaehlter-risikofaktoren/

[2] Wang YY, Liu Z, Wu Y, Zhang O, Chen M, Huang LL, He XQ, Wu GY, Yang JS. Acupuncture for Smoking Cessation in Hong Kong: A Prospective Multicenter Observational Study. Evid Based Complement Alternat Med. 2016;2016:2865831. doi: 10.1155/2016/2865831. Epub 2016 Nov 28. PMID: 28003848; PMCID: PMC5149689.

[3] Siehe Ref. 2, Abb. 2 b.

[4] Wang YY, Liu Z, Wu Y, Yang L, Guo LT, Zhang HB, Yang JS; Chinese Acupuncture for Tobacco Cessation Research Team. Efficacy of Acupuncture Is Noninferior to Nicotine Replacement Therapy for Tobacco Cessation: Results of a Prospective, Randomized, Active-Controlled Open-Label Trial. Chest. 2018 Mar;153(3):680-688. doi: 10.1016/j.chest.2017.11.015. Epub 2017 Nov 23. PMID: 29175360.

Bildnachweise:
Depositphotos/AGTCM

Dr. Anne Hardy

Dr. Anne Hardy

Heilpraktikerin
Erweiterter Vorstand Medizinische Wissenschaft
Schifferstr. 59
60594 Frankfurt
hardy(at)agtcm.de
https://www.akupunktur-hardy.de

Dr. phil. Anne Hardy betreut im erweiterten Vorstand der AGTCM den Bereich „Medizinische Wissenschaft“. Die studierte Physikerin und promovierte Medizinhistorikerin arbeitete als freie Journalistin, bevor sie zur Chinesischen Medizin fand. In ihrer Praxis in Frankfurt am Main behandelt sie vor allem gynäkologische Beschwerden und Paare mit unerfülltem Kinderwunsch.

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