Interessantes aus der Welt der TCM

Nachruf Hugh MacPherson

Am 20. August ist Dr. Hugh MacPherson im Alter von 72 Jahren gestorben. Er hat den TCM Kongress Rothenburg mehrere Jahre mit seinen Beiträgen bereichert und insgesamt sechs Mal die Science Days mit organisiert. Velia Wortmann hat einen Nachruf verfasst, der im Oktober 2020 im Mitgliederrundbrief der AGTCM erschienen ist.

“A surfer of many kinds of waves” hat sich das am 20. August 2020 in York, England gestorbene Multitalent Hugh MacPherson auf seinem Grabstein gewünscht. Hugh wurde 72 Jahre alt. Der britische Professor für Akupunkturforschung an der York Universität konnte auf eine erfolgreiche und vielseitige Karriere in der Welt der chinesische Medizin zurückblicken, die er mit seiner herausragenden Persönlichkeit, hohen Arbeitsmoral und innovativen Forschung prägte. Hugh studierte zunächst Ingenieurswesen in Aberdeen, Schottland. Nach einer bewegten Berufslaufbahn als Ingenieur auf einer Bohrinsel und als Brückenbauer in Malawi, war er Tourenführer im Iran und Umweltaktivist in den USA. Er promovierte 1979 in den Bereichen der angewandten Mathematik und Strömungsmechanik an der University of South Wales in Australien. Zurück in England, gründete und betrieb der begeisterte Fahrradfahrer eine Fahrradwerkstatt im arbeiterkooperativen Modell in York.

Eine positive Erfahrung als Patient 1983 war der Beginn seines leidenschaftlichen Interesses an der Akupunktur. Eine Lehrzeit in der Akupunktur in London mit Julian Scott, Peter Deadman, Giovanni Maciocia und Vivienne Brown folgte. Hugh wurde 1985 ausgewählt als Teilnehmer an einer der ersten Ausbildungen für Ausländer in der chinesischen Medizin an der Nanjing TCM Universität; es folgten weitere China-Aufenthalte. Kurse in der Heilkräuterkunde mit Ted Kaptchuk Anfang der 90er Jahren ergänzten seine Ausbildung in der chinesischen Medizin. Mit seinen Mitstreitern Nick Haines und Richard Blackwell gründete er 1986 die York Clinic for Integrated Healthcare und kurz danach, 1988, das Northern College of Acupuncture, das erste College für Akupunktur Nordenglands. Hugh war sowohl als Kliniker und als Lehrer unermüdlich tätig. Darüber hinaus fungierte er von 1988 bis 1997 als Direktor des Colleges. In dieser Zeit publizierte er seine ersten Case Studies in verschiedenen Journalen und schrieb, zusammen mit Ted Kaptchuk, das bahnbrechende Buch „Acupuncture in practice: case history insights from the West.“

Hugh war unzufrieden mit der Qualität der Akupunkturforschung, die in den 90er Jahren betrieben wurde. Typisch für ihn löste er das Problem ganz pragmatisch und gründete seine eigene Stiftung, die Foundation for Research into Traditional Chinese Medicine. Mit dieser Stiftung finanzierte er mehrere Studien und betrieb Aufklärungsarbeit für das Publikum. Er arbeitete als Direktor der Foundation von 1997 bis 2003. Anschließend trat er eine Stelle an der York University als Senior Research Fellow an. 2016 erhielt er die Professur für Akupunkturforschung, die erste Professur ihrer Art in Großbritannien. Diese Stelle hatte er bis zuletzt inne. In dieser Zeit schrieb er weitere zwei Standardwerke: „Acupuncture Research: Strategies for Establishing an Evidence Base (2007)“ und zusammen mit Volker Scheid „Integrating East Asian Medicine into Contemporary Healthcare (2011)“.

Hugh war außerdem Haupt- und Co-Autor von mehr als 120 wissenschaftlichen Artikeln, die in namhaften Zeitschriften und Journalen erschienen. Alle Bücher und Artikel sind das Ergebnis langjähriger und aufwändiger Kooperationen mit Forschern aus unterschiedlichsten Institutionen. Der charismatische Hugh war nicht nur ein Meister des Netzwerkens, des Team-Aufbaus und der Koordination, sondern war auch sehr erfolgreich im Akquirieren von Forschungsgeldern; so hat er mehr als 3 Millionen Pfund in seinen 15 Jahren als aktiver Forscher von der britischen Regierung und anderen Quellen bekommen. Eine seiner Studien erschien 2006 im British Medical Journal, die maßgeblich für die Aufnahme von Akupunktur in die NICE Richtlinien zur Behandlung von Lumbalgie war.

Hughs Forschungsarbeiten spannten einen umfangreichen Bogen, von einer kleinen Studie mit Magnetresonanztomographie des Gehirns während der Akupunktur bis zur großangelegten Community-Studie über Depression und Akupunktur, mit einer Vielzahl von Therapeuten und ambulanten Patienten. Ein wichtiger Höhepunkt seiner Karriere war die Zusammenarbeit mit Andrew Vickers und anderen Forschern in der Acupuncture Triallists‘ Collaboration. Diese Meta-Analyse von 29 randomisierten Kontrollstudien für Akupunktur für chronische Schmerzen konnte handfeste Daten zur Wirksamkeit der Akupunktur beitragen.

Ein weiterer Höhepunkt von Hughs vielfältigen Kompetenzen war die Organisation eines internationalen wissenschaftlichen Gremiums, das die STRICTA (STandards for Reporting Interventions in Controlled Trials of Acupuncture) Richtlinien 2001 schrieb und einheitliche Maßstäbe für die Veröffentlichung von Akupunkturstudien setzte. Die STRICTA-Richtlinien wurden mehrmals von erweiterten Expertengruppen verbessert und gelten seit 2010 als Standard in namhaften Akupunkturjournalen und auch für die PLoS Medicine Datenbank.

Während seiner gesamten Karriere blieb Hugh aktives Vorstandsmitglied von britischen (British Acupuncture Council, Acupuncture Research Resource Centre) und internationalen (Society for Acupuncture Research) Akupunkturgesellschaften und war ein oft angefragter Redner bei internationalen Meetings und Kongressen. Auf einem dieser Meetings fragte ihn der damalige Leiter des Rothenburg TCM-Kongresses, Gerd Ohmstede, ob er nicht an dem nächsten TCM-Kongress teilnehmen wolle.

In 2008 folgte der vielbeschäftigte Hugh Gerds Einladung und kam zum ersten Mal nach Rothenburg und nahm an dem Science Day teil, den Benno Brinkhaus und ich organisiert hatten. Hugh war von der angenehmen Atmosphäre des Kongresses begeistert und sah die Möglichkeit, hier ein breiteres Publikum für die Akupunkturforschung zu interessieren. Es war überhaupt nicht schwierig, ihn als Co-Chairman für die drei nächsten Kongresse zu gewinnen! Ich hatte die große Ehre, mit Hugh insgesamt sechs Science Days zu gestalten und zu organisieren. Es war eine Freude, mit ihm die hochkarätigen Forscherinnen und Forscher aus seinem großen internationalen Netzwerk in Rothenburg zu empfangen und die spannenden Diskussionen mit diesen zu moderieren.

2013 und 2015 folgten die nächsten gemeinsamem Science Days. Leider erkrankte Hugh 2018 kurz vor dem TCM-Kongress und kam nie mehr nach Deutschland. Seine unterhaltsamen und informativen Vorträge im Plenum („Science is from Mars, TCM is from Venus“), seine gut organisierte und kollegiale Leitung, seine interessanten Beiträge für den Science Day sowie seine enthusiastische Teilnahme an der Kongress-Party werden uns allen in guter Erinnerung bleiben.

Hugh hat trotz seiner zahlreichen professionellen Aufgaben, laut seiner Ehefrau Sarah Robin, „immer Zeit“ für Familie, Freunde und Hobbies gehabt. Er hat als 50-Jähriger das Windsurfing entdeckt. Hugh hat nicht nur auf der Nordsee gesurft, sondern auch auf Bonaire, Venezuela und auf den Cap Verde Inseln. Der passionierte Hobbygärtner bestand im fortgeschrittenen Rentenalter die Imker-Meisterprüfung.

Die TCM Welt verliert einen außergewöhnlichen Surfer der verschiedensten Wellen. Seine Kollegen, Schüler und Freunde werden ihn sehr vermissen. Wir sind endlos traurig.

Velia Wortman im Namen der AGTCM

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