Anja Niklas-Krajewski, Wuppertal
Equines Asthma – früher auch COPD, COB, IAD oder RAO genannt – ist eine nichtinfektiöse, oft allergische Atemwegserkrankung der Equiden. Leider ist sie sehr verbreitet und ich habe viele Fälle in meiner Praxis. Symptome sind zunächst Husten, Nasenausfluss und Leistungsabfall, später kann noch Atemnot dazu kommen. Eine nicht geringe Anzahl der Pferde hustet allerdings kaum oder gar nicht und es kommt auch zu keinem sichtbaren Nasenausfluss, so dass die Erkrankung erst spät bemerkt wird. Meist durch Leistungseinbußen.
Je später die Erkrankung behandelt wird, desto höher ist die Gefahr der Chronizität und je schwieriger ist die Behandlung. Vom ausgesprochener Wichtigkeit ist die Haltungs- und Fütterungsoptimierung, auf die ich hier aber nicht näher eingehen möchte.
Die schulmedizinische Behandlung erfolgt durch schleimlösende Medikamente, Bronchienerweiterer und evtl. Kortison. Die Chinesische Medizin hat viel individuellere Möglichkeiten, den Patienten zu harmonisieren.
Beispielhaft möchte ich hier zwei Fälle vorstellen, die identische schulmedizinische Behandlung erhalten haben, die aber bei beiden Pferden nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat. Es stellte sich heraus, dass die Pferde völlig unterschiedliche Disharmonien hatten, die natürlich auch unterschiedlich behandelt werden mussten.
Zur Diagnostik ziehe ich den Fallbericht, Untersuchung des gesamten Körpers, Puls- und Schleimhautbefundung sowie die diagnostischen Punkte heran. Ebenfalls erstelle ich ein Geburts-Chart auf Basis des Ba Zi.
Ein ganz kurzer Exkurs in die Ba Zi:
Ba Zi bedeutet „Acht Zeichen“, wird aber meist mit „Acht Säulen (des Schicksals)“ übersetzt und bezeichnet die Himmelsstämme und Erdenzweige, sowie die versteckten Himmelsstämme von Jahr, Monat, Tag und Stunde der Chinesischen Astrologie. In jedem Jahr, jedem Monat, jedem Tag und jeder Stunde sind verschiedene Elemente aktiv: Erde, Metall, Wasser, Holz und Feuer und diese noch unterteilt in Yin und Yang.
Die Erdenzweige entsprechen dem Verlauf der Organuhr und haben oft eine tiefe Energie, die nicht der entspricht, denen sie in den 5 Elementen zugeordnet sind. Beispielsweise gehört die Gallenblase hier nicht zum Holz, sondern zum Wasser, da sie in der Zeit der Wintersonnenwende aktiv ist.
Jedes Lebewesen wird in eine individuelle energetische Situation hineingeboren. Man kann sich gut vorstellen, dass jemand, der nachts im Winter geboren wurde eine andere Energie mitbekommt als jemand, der mittags im Sommer geboren wird. Man kann anhand des Geburtsdatums errechnen, wie groß der Anteil der jeweiligen Elemente im Chart ist. Die Himmelsstämme erhalten jeweils 100 Punkte. Jeder Erdenzweig hat einen bis drei versteckte Stämme, auf die die Punktzahl von 100 verteilt wird.
Die Ba Zi sind bekannt zur Deutung der Zukunft und zum Errechnen von günstigen oder ungünstigen Zeitpunkten. Sie sind aber auch eine große Hilfe bei Diagnostik und Behandlung, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen. Natürlich kann man dieses System beim Tier nur nutzen, wenn das Geburtsdatum bekannt ist und meist weiß man die Geburtsstunde nicht, deshalb fällt die zur Berechnung weg.
Die angegebenen Mengen richten sich nach der Größe und dem Gewicht des Pferdes, sowie der Kombination mit anderen, ähnlich wirkenden Pflanzen.
Das Zeichen + bedeutet voll.
Das Zeichen – bedeutet leer.
Die Mengen der Kräuter sind die empfohlene Tagesdosis, am besten auf 2x täglich verteilt. Ich verwende pulverisierte Kräuter, die einfach ins Futter gemischt werden können. Ausnahmen werden bei den Einzelkräutern angegeben.
1.Konsultation:
Geburtschart: 21.4.03
Das Geburtschart zeigt, dass das Pferd gar keine Metall-Energie mitbekommen hat und die Wasser-Energie am stärksten ist. In der Abfolge der Elemente im Sheng-Zyklus besteht eine Blockade zwischen Erde und Metall.
Der Beginn der Erkrankung war im Frühjahr 2022.
Das Frühjahr hat Holz-Energie.
Das Jahr 2022 war ein Ren-Xin-Jahr, also Blase mit Großer Bewegung Holz mit Erdenzweig Lunge mit tiefer Energie Holz.
Wasser und Holz bekamen also von außen noch mehr Kraft.
Das fehlende Metall kann das Holz nicht kontrollieren, das auch noch durch das starke Wasser genährt wird. Das Holz kann so die Erde überkontrollieren und auch auf das Metall zugreifen.
Im Energiefluss der fünf Elemente gibt es eine Blockade zwischen Erde und Metall.
Die Schicht Taiyin entspricht Feuchtigkeit, die sich durch die unterdrückte Erde im Körper ansammeln kann und die Erde noch weiter schwächt.
Klinisch zeigt sich hier eine Blockade der Mitte durch die Fülle in der Gallenblase und der Leere der Milz.
Qi stagniert in der Mitte. Das Zong-Qi kann nicht absteigen und sammelt sich im Thorax. Durch die Schwäche des Metalls und so der Lunge ist die Ausatmung behindert. Das Pferd hat Atemnot.
Durch die Unterdrückung der Milz, unterstützt durch die bei der Geburt aktiven Schicht Taiyin sammelt sich Feuchtigkeit im Körper an, die sich als Schleim in der Lunge sowie als Kotwasser zeigt.
Therapieprinzip ist hier erstmal das durchgängig-machen der Mitte und das Absenken des Lungen-Qi, damit der Wallach wieder atmen kann. Die Rezeptur sollte etwas wärmen.
Folgende westliche Kräuter kamen in unterschiedlichen Kombinationen zum Einsatz:
Konstitutionell ist es sehr wichtig, das Metall zu stärken, damit die Elemente wieder ins Gleichgewicht kommen. In der Akupunktur ist die Stärkung des Metalls in diesem Fall etwas schwierig. Die „Mutter“ Erde ist selbst geschwächt. Würde man von der Erde Energie ins Metall leiten, gäbe es mehr Probleme im Erdelement. Über die Phytotherapie kann man von außen Metall-Energie zufügen. Da viele der Lungen-Kräuter thermisch kühl sind, müssen bei diesem Pferd immer zusätzlich erwärmende Kräuter in die Rezeptur aufgenommen werden.
Hier kommen folgende Kräuter in unterschiedlichen Kombinationen zum Einsatz:
Das Pferd wird nach einer Phase mit Behandlungen im Wochen-Abstand seit dem Behandlungsbeginn im Sommer 2022 in Abständen von 8 Wochen akupunktiert und bekommt regelmäßig eine angepasste Kräutermischung. Es hat mittlerweile keine nennenswerten Atemwegsprobleme mehr, das Kotwasser tritt noch bei Futterwechsel auf.
1. Konsultation April 2024:
Geburtschart: 24.5.2018
Bei dieser Stute ist die Feuer-Energie sehr stark. Sie heizt das System auf und stärkt die ebenfalls sehr dominante Erde. Die Erde-Energie ist sehr stark und unterdrückt das Wasser, das sowieso schon sehr schwach ist. Im umgekehrten Wu-Zyklus unterdrückt die Erde das Holz.
Die Stute ist in einem Wu-Jahr geboren, Magen in der Großen Bewegung Feuer. Der Magen ist also sowieso schon sehr feurig, wird durch die starke Feuer-Energie aber noch mehr aufgeheizt. Zwischen Erde und Metall ist eine Energieblockade, die durchbrochen werden muss, damit die Energie wieder frei fließen kann.
Bei der Akupunkturbehandlung habe ich immer wieder die Erd-Punkte auf den Metall-Meridianen (Lu 9 und Di 11) tonisiert, um Erd-Energie ins Metall zu ziehen und dieses so zu stärken. Weiter habe ich die Metall-Punkte auf den Wasser-Meridianen (Bl 67 und Ni 7) und die Wasser-Punkte auf Holz (GB 43 und Le 8) tonisiert, um auch diese Elemente zu kräftigen.
Wasser ist elementar wichtig, um das starke Feuer zu kühlen! Ein starkes Wasser kann im Sheng-Zyklus das Holz nähren. Das Holz muss gestärkt werden, um die Erde zu kontrollieren.
Mit der Phytotherapie habe ich zuerst den Schleim verflüssigt und ausgeleitet. Der Schleim entsteht ja wegen der Dominanz der Erde, die Feuchtigkeit im Körper ansammelt. Das alleinige Ausleiten des Schleims bewirkt deshalb nur eine kurzfristige Besserung, war aber anfangs nötig. Die Rezeptur sollte kühlen und trotz des vorhandenen Schleims befeuchten, damit dieser ausgeschieden werden kann. Ich habe absichtlich keine Kräuter verwendet, die das Lungen-Qi absenken, denn die Stute sollte den Schleim durch Husten loswerden können.
In den ersten 4 Wochen bekam sie:
Der Schleim konnte gut verflüssigt und ausgehustet werden.
In der Folge kamen zusätzlich zu den oben genannten folgende Kräuter in verschiedenen Zusammensetzungen zur Anwendung:
Die Stute hat jetzt, im August 2024, keinen Husten und keine Atemnot. Bei Auskultation nach Bewegung hört man kein Schleimrasseln mehr, sondern nur noch ein etwas verschärftes vesikuläres Atemgeräusch. Es ist in den letzten Wochen kein Auswurf oder Nasenausfluss mehr zu sehen gewesen. Sie ist sehr gut durch das Frühjahr und den bisherigen Sommer gekommen. Eine weitere Gastroskopie zeigte, dass sie noch Magengeschwüre im 1. Grad hat. Auch bei diesem Pferd muss die Behandlung noch über längere Zeit erfolgen, um einen dauerhaften Erfolg zu gewährleisten.
Eine gute Diagnostik und eine individuelle Behandlung sind von größter Wichtigkeit. Die Chinesische Medizin bietet phantastische Möglichkeiten, individualisierte Therapieansätze zu erstellen, um auch Erkrankungen wie Equines Asthma erfolgreich zu behandeln. Klar wird auch, dass die so standardisierten „Hustenkräutermischungen“, die man überall kaufen kann, höchstens lindernde Wirkung haben können und an die phytotherapeutischen Wirkungen einer individuellen, an die Bedürfnisse des Patienten angepassten Behandlung nicht heranreichen können.
Quellen:
Anja Niklas-Krajewski
Tierheilpraktikerin, Schwerpunkt Chinesische Medizin
Pferde- und Hundeosteopathin
eigene Praxis in Wuppertal seit 1998
TC(V)M-Ausbildung in Deutschland und China
Von 2002 bis 2021 Dozentin für Tierakupunktur in verschiedenen Schulen
Tierheilpraxis im Morsbachtal
Anja Niklas-Krajewski
Berg 14
42349 Wuppertal
www.othp.de
E-Mail: info@othp.de
Bildnachweis: Foto und Grafiken - Anja Niklas-Krajewski
Neben Anamnese, Adspektion, Untersuchung der Shu- und Mu-Punkte und der Zungendiagnostik ist die Pulsdiagnose ein wichtiger Bestandteil der TCM-Untersuchung bei Tieren. Da Tiere nicht unbedingt stillhalten, ist es für Tiertherapeut:innen nicht immer einfach, eine gründliche Pulsdiagnose durchzuführen. Einige Grundregeln bei der Diagnostik am Tier vereinfachen die Untersuchung allerdings enorm.
Mehr erfahrenDie Zuordnung zu den 5 Elementen bezüglich Charakters, Körpermerkmalen und Dispositionen nach der TCM sind nicht nur uns Menschen vorbehalten, sie treffen ebenso auf Tiere zu. Sich etwas eingehender damit zu beschäftigen, lohnt sich für Tierhalter:innen und Tiertherapeut:innen sehr, denn im Vorhinein Krankheiten vorbeugen zu können, ist ein uralter Gedanke der TCM, zusätzlich wächst das Verständnis für das Tier als Individuum.
Mehr erfahrenDie AGTCM entwickelt und sichert die Zukunft der Chinesischen Medizin.
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