Akupunktur beugt Migräne vor – Studie zeigt klare Vorteile gegenüber Placebo

Eine große klinische Studie aus China belegt: Regelmäßige Akupunktur kann die Zahl von Migränetagen und -attacken deutlich verringern – stärker als Schein-Akupunktur oder alleinige Standardversorgung. Für Menschen, die Medikamente nicht vertragen oder meiden möchten, könnte Akupunktur damit eine wirksame Alternative zur Vorbeugung sein.

In der Vergangenheit haben Studien zwar gezeigt, dass die sogenannte manuelle Akupunktur (klassische Akupunktur mit Nadelmanipulation) Migräneanfällen vorbeugen kann. Gleichzeitig verspürten aber auch Patient:innen, die nur eine Schein-Akupunktur (Nadeln, die die Haut nicht durchstechen) bekamen, eine Wirkung. Der Effekt der „echten“ Akupunktur wurde deswegen lange nicht als spezifisch angesehen. 

Wirksamkeit belegt

Eine Studie aus China konnte aber bereits 2017 deutliche Unterschiede zwischen „echter“ und „Schein“-Akupunktur finden. Die Forschenden untersuchten 150 Patienten und Patientinnen mit wiederkehrender Migräne ohne Aura, die noch nie zuvor Akupunktur bekommen hatten.

Wie lief die Studie ab?

In die Studie eingeschlossen wurden Patient:innen, die zwischen zwei und acht Migräneanfälle in den vier Wochen nach Studienbeginn hatten. Alle Studienteilnehmenden mussten zustimmen, während der Studie keine anderen Schmerzmittel als Diclophenac zu nehmen, das als Notfallmedikament bei starker Migräne erlaubt war. 

Während der ersten vier Wochen erhielten die Patienten und Patientinnen noch keine Behandlung. Sie führten ein Kopfschmerztagebuch, mit dem sie die Häufigkeit, Dauer und Intensität ihrer Migräneanfälle dokumentierten. Außerdem sollten sie auf auslösende bzw. verstärkende Faktoren achten.

Darüber hinaus erhielten alle Teilnehmenden eine Beratung zum Lebensstil. Sie lernten, ihre Belastungen anzupassen (pacing), Schmerz zu kommunizieren, sich regelmäßig zu bewegen und eine Schlafhygiene einzuhalten.

Nach einem Monat wurden die Teilnehmenden zufällig in drei Gruppen eingeteilt, die unterschiedlich behandelt wurden:

  1. Echte Akupunktur (20 Sitzungen über 8 Wochen + Beratung zur Lebensweise)
  2. Schein-Akupunktur (gleich viele Sitzungen, aber Nadeln, die nicht in die Haut eindringen, an Nicht-Akupunkturpunkten)
  3. Behandlung ohne Akupunktur (Beratung zum Lebensstil und Kopfschmerztagebuch).

Drei Monate nach Ende der Behandlung wurden alle Teilnehmenden nochmals zur Häufigkeit ihrer Migränetage und -attacken befragt, um die Nachhaltigkeit zu überprüfen.

Punkteauswahl für Akupunktur und Schein-Akupunktur

Akupunkturgruppe

  • 10 Punkte waren festgelegt:
  • Di 4, Le 3, EX-HN5, Gb 20, und Gb 8 (alle Punkte beidseits)
  • Frei wählbar, je nach betroffener Leitbahn und Symptomatik: Ma 8 (Yangming), Bl 10 (Taiyang), Du 20 (Jueyin) (ebenfalls beidseitig)

Die Nadeln wurden für 30 Minuten liegen gelassen und währenddessen alle 10 Minuten für ca. 10 Sekunden manipuliert (drehen oder auf und ab bewegen).

Scheinakupunkturgruppe

Hierfür wurden die sogenannten Streitberger-Nadeln verwendet, die die Haut nicht durchdringen. Da sie mit Plastikringen fixiert werden, fühlte es sich für die Behandelten wie ein Einstich an. Die Nadeln wurden am Rücken verwendet, und zwar in vier Segmenten, den sogenannten Headschen Zonen, die mit inneren Organen korrespondieren und damit keinen direkten Bezug zum Kopf haben. 

Weniger Migräne durch „echte“ Akupunktur

Gemessen wurden die folgenden Veränderungen:

  •  die Anzahl von Migräne-Tagen insgesamt,
  • die Anzahl der Migräne-Anfälle pro Vier-Wochen-Zyklus,
  • die Anzahl der Migräne-Anfälle während der Wochen 1 bis 20, also der Zeit der Behandlung bis zur Nachkontrolle drei Monate später,
  • das wurde jeweils verglichen mit dem Befinden in den vier Wochen vor der Behandlung.
  • Zusätzlich wurde der Anteil der Patient:innen ermittelt, die sich vier Wochen nach dem Behandlungsende (also ab der Woche 17) für weitere 4 Wochen besser fühlten, durch
    1. eine mindestens 50-prozentige Verringerung der durchschnittlichen Anzahl von Migräne-Tagen, oder
    2. eine mindestens 50 % geringere Anzahl von Migräne-Anfällen, oder
    3. eine Verminderung des Schweregrads der Migräne, gemessen anhand einer visuellen Analogskala.

Die Patient:innen füllten mehrere Fragebögen aus: einen Migräne-spezifischen Fragebogen zur Lebensqualität, zur Schlafqualität, Einschränkungen im Alltag, Ängsten und Depressionen. Außerdem wurde die mittlere Dosis der verwendeten Notfallmedikamente vom Ausgangswert bis zur 20. Woche ermittelt.

Die konkreten Ergebnisse

In den ersten vier Wochen der Studie, in denen Patient:innen noch keine Behandlung erhalten hatten, lag die durchschnittliche Anzahl der Migränetage bei sechs pro Monat und die Anzahl der Attacken bei vier pro Monat. Nach Beginn der Behandlung hatten alle Gruppen nach einiger Zeit weniger Migräneanfälle. Aber: Die echte Akupunktur wirkte deutlich besser als die Schein-Akupunktur und die Behandlung ohne Akupunktur. 

  • Ab Woche 13 bis 20 hatten die Akupunkturpatient:innen im Schnitt 2 Tage weniger Migräne im Monat als die Schein-Akupunktur-Gruppe. (In der Akupunkturgruppe waren durchschnittlich 3.9 Migränetage weniger, während es in der Schein-Akupunkturgruppe 2.2 Tage weniger waren.
  • Auch die Zahl der Migräneattacken sank stärker in der Akupunkturgruppe (minus 2,3 Tage gegen über 1,6 Attacken weniger in der Scheinakupunkturgruppe).
  • Schein-Akupunktur half ebenfalls ein wenig – wahrscheinlich durch Placebo- und Erwartungseffekte.
  • Es traten keine schweren Nebenwirkungen auf.

Zusätzlich gab es in der Akupunkturgruppe (verglichen mit den beiden Kontrollgruppen):

  • Bessere Lebensqualität laut Migräne-spezifischem Fragebogen.
  • Stärkere Schmerzlinderung auf der visuellen Analogskala.

Weitere Ergebnisse waren:

  • Bessere Schlafqualität und geringere Migräne-Belastung im Vergleich zur Behandlung ohne Akupunktur, jedoch kein Unterschied zur Schein-Akupunktur.

Kein Unterschied zwischen den drei Gruppen bei Medikamentenverbrauch, Angst- und Depressionswerten.

Bedeutung der Ergebnisse:

  • Manuelle Akupunktur kann eine wirksame Methode zur Vorbeugung von Migräne sein, beispielsweise in der Schwangerschaft, bei Medikamenten-Unverträglichkeiten, oder wenn Medikamente nicht helfen.
  • Die Wirkung war nicht nur ein Placeboeffekt, sondern spezifisch durch die richtige Akupunktur hervorgerufen.
  • Die Fachgesellschaften sollten deshalb Akupunktur in ihre Leitlinien zur Migräneprophylaxe aufnehmen.

Studie:
Xu S, Yu L, Luo X, Wang M, Chen G, Zhang Q, Liu W, Zhou Z, Song J, Jing H, Huang G, Liang F, Wang H, Wang W. Manual acupuncture versus sham acupuncture and usual care for prophylaxis of episodic migraine without aura: multicentre, randomised clinical trial. BMJ. 2020 Mar 25;368:m697. doi: 10.1136/bmj.m697. PMID: 32213509; PMCID: PMC7249245.

Bildnachweis:
Depositphotos/AGTCM

Dr. Anne Hardy

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