Die am 1. Januar 2022 in Kraft getretene elfte Überarbeitung der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD = International Classification of Diseases) enthält erstmals auch Diagnosen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin. Die ICD ist das wichtigste internationale Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) begründet die Hinzunahme der Traditionellen Medizin (TM) damit, dass diese in vielen Ländern einen wichtigen Bereich der Gesundheitsversorgung darstellt. Um dem besser Rechnung zu tragen, enthält die ICD-11[1] ein zusätzliches Kapitel mit dem Titel "traditional medicine conditions“ (Kapitel 26)[2]. Es wird nicht explizit von Traditioneller Chinesischer Medizin gesprochen, obwohl diese gemeint ist. Das Kapitel ist unterteilt in
Zusätzlich gibt es Ziffern, die Schäden durch den falschen Gebrauch von komplementärmedizinischen Verfahren erfassen (z. B. chinesische Arzneimittel, aber auch Nahrungsergänzungsmittel).
Die zusätzlichen Ziffern für die traditionelle Medizin sollen nicht allein, sondern zusätzlich zu einer westlichen Diagnose-Ziffer verwendet werden. Zum Bespiel kann man die Ziffer für Asthma (CA23.32) allein verwenden oder mit Ziffern der traditionellen Medizin kombinieren, etwa „Akkumulation von trübem Schleim in der Lunge“ (SF86) oder „Keuchen“ (SF81).
Die WHO möchte mit den zusätzlichen Ziffern erstmals erfassen, in welcher Form und wie häufig Leistungen der traditionellen Medizin erbracht werden. Sie sammelt weiterhin Daten zu Sicherheit, Wirksamkeit, Qualität und Kosten der traditionellen Medizin. Angestrebt wird außerdem, die traditionelle Medizin mit der westlichen Medizin zu vergleichen. Wichtig für die Forschung ist, dass mit den ICD-11-Ziffern für traditionelle Medizin erstmals standardisierte Begriffe und Definitionen auf nationaler und internationaler Ebene etabliert werden.
In Leitartikeln der Zeitschriften „Nature“ und „Scientific American“ ist die Aufnahme der Diagnosen der traditionellen Medizin in die ICD-11 bereits 2019 beim Bekanntwerden der Änderungen kritisiert worden. Das neue Kapitel berge die Gefahr, eine unbegründete Philosophie und unwissenschaftliche Praktiken zu legitimieren. Auf den Hinweis der WHO, dass die Ziffern nur diagnostische Kriterien abfragen, kontert „Nature“, sobald eine TCM-Krankheit diagnostiziert ist, würden vermutlich auch TCM-Medikamente verschrieben. Es sei zu befürchten, dass das neue Kapitel den wachsenden Absatz von weitgehend unbewiesenen Behandlungen fördert.[3]
Der „Scientific American“ beschuldigte China, aus wirtschaftlichen Gründen auf eine breitere weltweite Akzeptanz der traditionellen Medizin zu drängen. Sie bringe der chinesischen Wirtschaft jährlich rund 50 Milliarden Dollar ein.[4]
Die ICD wird seit 1948 von der WHO veröffentlicht, Vorgängerversionen gab es bereits seit 1900.[5] Die vereinheitlichte Nomenklatur für Diagnosen soll die systematische Erfassung, Analyse, Interpretation von Erkrankungen und Sterbedaten weltweit vergleichbar machen. Außerdem sollen zeitliche Entwicklungen beobachtet werden. Die ICD-11 löst damit nach 25 Jahren die ICD-10 ab.
Befürworter der TCM sehen mit der Einführung der ICD-11 erstmals die Möglichkeit, das Ausmaß des Einsatzes statistisch darzustellen und Transparenz in den Diagnosen zu gewährleisten. Denn die TCM-Diagnosen können direkt in die schulmedizinischen Diagnosen übersetzt werden. Es bleibt allerdings jedem Land selbst überlassen, ob die TCM-Nomenklatur zum Einsatz kommt.
Quellen:
[2] Vollständige Liste abrufbar unter https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http%3a%2f%2fid.who.int%2ficd%2fentity%2f718687701 (Reiter „Info“ – „Print Versions“)
[3] https://www.nature.com/articles/d41586-019-01726-1 (abgerufen 14.2.22)
[4] https://archive.fo/20200406145913/https://www.scientificamerican.com/article/the-world-health-organization-gives-the-nod-to-traditional-chinese-medicine-bad-idea/#selection-765.0-765.236 (abgerufen 14.2.22)
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