Antibiotika-Resistenzen sind weltweit ein ernstes medizinisches Problem.[1] Deshalb hat es in den vergangenen Jahrzehnten ein verstärktes Interesse an der Behandlung von Infektionskrankheiten mit traditionellem heilkundlichem Wissen gegeben. Die TCIH-Koalition, der weltweit über 300 Organisationen aus dem Bereich der traditionellen, komplementären und integrativen Gesundheitsversorgung (TCIH) angehören, hat in einem Positionspapier aufgezeigt, welche Beiträge sie zur Linderung der Krise leisten kann.[2] Sie konzentriert sich dabei auf die Prävention sowie beeinflussbare Risikofaktoren.
Zusätzlich zur Antibiose bietet die TCIH eine breite Palette nicht-antibiotischer Therapieoptionen, die ein nachgewiesenes antimikrobielles Potenzial haben. Sei es bei der Behandlung einfacher, akuter Infektionen, bei chronischen Infektionen oder zur Vermeidung von Rezidiven. Traditionelle Ansätze können Antibiotika-Therapien einerseits wirkungsvoll unterstützen. Andererseits eignen sie sich als Alternative zur Antibiose. Typische Beispiele sind Atemwegserkrankungen, Harnwegsinfekte und Hautinfektionen.
Um dieses Wissen in die Gesundheitssysteme zu integrieren, sei es wichtig, Patient:innen über therapeutische Optionen aufzuklären und sie zur einer verantwortungsvollen Selbstfürsorge zu erziehen. So fanden Forscher der Johns Hopkins School of Medicine, Baltimore, heraus, dass Patient:innen seltener nach Antibiotika verlangen, wenn sie über die schädlichen Auswirkungen unnötiger Antibiose aufgeklärt wurden.[3] Dabei sei es effektiver, die individuellen Nachteile hervorzuheben als die gesellschaftlichen.
Weiterhin zeigt eine britische Studie von der Bristol Medical School, dass Fachärzte für Allgemeinmedizin weniger Antibiotika verschreiben, wenn sie zusätzlich in integrativer Medizin ausgebildet sind. Sie untersuchten die Antibiotika-Verschreibungen der Ärzt:innen des staatlichen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS) retrospektiv für das Jahr 2016. Bei Atemwegserkrankungen hatten die integrativ ausgebildeten Ärzt:innen statistisch signifikant weniger Antibiotika verschrieben als die rein schulmedizinisch ausgebildeten Kolleg:innen. Bei Harnwegsinfekten waren die Verschreibungen in beiden Gruppen dagegen fast gleich häufig.[4]
Die TCIH-Koalition empfiehlt, die Rolle der traditionellen, komplementären und integrativen Gesundheitsversorgung zu stärken, um Infektionskrankheiten zu behandeln und Antibiotika-Resistenzen zu vermeiden. Sie empfiehlt folgende Maßnahmen:
Politische Integration: TCIH sollte in die internationale und regionale Politik sowie bei Maßnahmen zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen und Infektionskrankheiten einbezogen werden. Sie sollte ebenso in „One Health-Initiativen“ eingebunden werden, bei denen die menschliche Gesundheit im Kontext aller Lebewesen auf dem Planeten gesehen wir. Hier geht es insbesondere um den präventiven Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung und Abfallwirtschaft. Die nationale Gesundheitspolitik sollte hier an bereits existierende Rahmenwerke anknüpfen: den Globalen Aktionsplan der WHO zu Antibiotika-Resistenzen[5] und den EU „One Health AMR Action Plan“.[6]
Nationale Integration: TCIH-Ansätze sollten verstärkt in die nationale Gesundheitspolitik, Gesundheitsstrategien, nationale Aktionspläne und Leitlinien zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen einbezogen werden.
Integration in das Gesundheitswesen: Die Integration der TCIH in die primären Gesundheitsversorgungssysteme sowie der Austausch zwischen TCIH-Praktikern und konventionellen Gesundheitsdienstleistern sollte durch die Entwicklung spezifischer Leitlinien gefördert werden.
Aufklärung: TCIH-Ansätze sollten in die Ausbildung integriert werden – sowohl im Gesundheitswesen, als auch in Bildungsprogramme zur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen. Ziel ist es, das Verständnis für und die Anwendung von TCIH-Ansätzen unter Fachleuten im Gesundheitswesen, Ärzt:innen, Heilpraktiker:innen und Forschenden zu verbessern.
Forschung und Entwicklung: Es sollten Mittel für die Forschung und Entwicklung von TCIH-Therapien und -Produkten bereitgestellt werden. Sie sollten in erster Linie die Wirksamkeit und Sicherheit nicht-antibiotischer Präventions- und Behandlungsoptionen bewerten. Dies kann geschehen durch die Entwicklung von spezialisierten und gezielten Forschungsrahmenplänen sowie die Förderung von lokalen TCIH-Produkten, wo sich dies anbietet.
[1] Morrison L, Zembower TR. Antimicrobial Resistance. Gastrointest Endosc Clin N Am. 2020 Oct;30(4):619-635. doi: 10.1016/j.giec.2020.06.004. Epub 2020 Aug 1. PMID: 32891221
[2] www.tcih.org/2023/11/10/tcih-coalition-releases-position-paper-ahead-of-world-amr-awareness-week-waaw-highlighting-the-role-of-tcih-in-addressing-antimicrobial-resistance-amr/
[3] Miller et al.: Educating Patients on Unnecessary Antibiotics, The Journal of the American Board of Family Medicine November 2020, 33 (6) 969-977; doi.org/doi:10.3122/jabfm.2020.06.200210
[4] Esther T. van der Werf et al.: Do NHS GP surgeries employing GPs additionally trained in integrative or complementary medicine have lower antibiotic prescribing rates? Retrospective cross-sectional analysis of national primary care prescribing data in England in 2016. bmjopen.bmj.com/content/8/3/e020488
[5] Global action plan on antimicrobial resistance: www.who.int/publications/i/item/9789241509763
[6] A European One Health Action Plan against Antimicrobial Resistance (AMR): health.ec.europa.eu/system/files/2020-01/amr_2017_action-plan_0.pdf
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